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Von Robben, Schleusen und Autotuning: Ein Einblick in die Ausbildung als Binnenschifffahrtskapitän

Es ist ein herbstlicher Tag Ende Oktober. Erwartungsvoll steht Leif Haußmann (20) vor dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein in Duisburg. Heute ist es endlich so weit: Er erhält sein Schifferdienstbuch. Damit setzt er einen wichtigen Meilenstein für seine berufliche Zukunft als Binnenschifffahrtskapitän. Bereits vor einigen Tagen hat er seine Ausbildung offiziell bei Rhenus PartnerShip begonnen – zeitgleich mit Tom Jonas Zens (28). In ihren ersten Tagen haben die beiden schon ihre Arbeitskleidung erhalten und eine grundlegende Sicherheitsausbildung zum Verhalten auf dem Schiff durchlaufen. Jetzt sind sie startklar und gut vorbereitet für die kommenden 3,5 Jahre. Das Schifferdienstbuch erhalten die Auszubildenden, genauso wie die anderen Besatzungsmitglieder eines Schiffes. Dort trägt der Schiffsführer offiziell alle ihre absolvierten Fahrten auf dem Binnenschiff ein. Wenn alle Eintragungen korrekt erfasst wurden, erhalten Leif und seine Kollegen am Ende ihrer Ausbildung dann die Berechtigung zum Erwerb des sogenannten Unionspatents, dem grundlegenden Schiffsführerzeugnis.

Das Praktikum als Wegweiser für die berufliche Zukunft

Vor Beginn der Ausbildung haben Leif und Tom bereits ein einwöchiges Praktikum auf einem Binnenschiff absolviert. „Die Woche an Bord hat mir wahnsinnig gut gefallen“, berichtet Leif. „Ich durfte direkt mitarbeiten und dabei helfen, unser Schiff durch die Schleusen zu bringen. Außerdem konnte ich jederzeit Fragen stellen und den Alltag auf dem Schiff miterleben – das war ein richtig guter Einblick in den Job und ich freue mich total auf die Ausbildung.“

Schon seit seiner Kindheit hat Leif sich für Technik und Schiffe interessiert. Als es dann darum ging, was er nach dem Abitur machen will, hatte er zwar überlegt zu studieren, sich dann aber dagegen entschieden: „Das ist einfach nichts für mich. Das ist mir zu theoretisch. Ich wollte lieber etwas Praktisches machen.“ Nach dem Praktikum auf dem Binnenschiff konnte er sich sehr gut mit dem Beruf identifizieren und hat sich daraufhin dann für die Ausbildung bei Rhenus PartnerShip entschieden. „In erster Linie bin ich jetzt gespannt darauf, welche fachlichen Inhalte noch auf mich zukommen werden. Ich bin sicher, dass ich an meinen neuen Aufgaben wachsen und mich auch persönlich weiter entwickeln werde“, unterstreicht er seine Motivation für die Ausbildung.

Auch Tom fand das Praktikum auf dem Binnenschiff sehr interessant – vor allem auch wegen des abwechslungsreichen Aufgabengebiets. Da er vor seiner Ausbildung bei Rhenus PartnerShip bereits 14 Jahre lang als Gärtner im familieneigenen Betrieb gearbeitet hatte, war ihm besonders die Stahlreinigung schon vertraut – ein Vorteil für die kommenden Jahre. „Das Praktikum hat mir richtig gut gefallen. Alle waren super nett zu mir und ich habe mich auf dem Schiff sehr wohl gefühlt. Es war ein bisschen so, als ob ich in eine neue Welt eintauchen würde. Die einzige Sache, an die ich mich noch gewöhnen muss, ist auf dem Schiff zu laufen, während es fährt“, sagt er lachend. „Aber das wird noch. Da bin ich mir sicher. Jetzt freue ich mich erstmal darauf so viel Fahrzeit wie möglich zu sammeln und viel von der Landschaft zu sehen“, berichtet Tom voller Vorfreude auf die kommenden Monate und Jahre.

Eigene Verantwortung von Anfang an

Bereits im Sommer haben zwei weitere Kollegen ihre Ausbildung begonnen: Adrian Becker und Oleh Orel. Anfangs hatten sie ähnliche Gedanken wie Leif. „Der bisher schönste Moment war für mich, als ich zum ersten Mal an Bord gegangen bin und vom Schiffsführer und meiner Besatzung begrüßt wurde. Auch wenn ich aufgeregt war, meine neue Reise zu beginnen, habe ich mich sofort willkommen gefühlt. Ich habe meine Kabine bezogen, das Schiff erkundet und mich gefragt, was mich wohl alles erwarten würde“, erzählt Oleh.

Inzwischen haben sich die beiden gut auf dem Schiff eingelebt. Freudig berichtet Oleh von den ersten Einsätzen auf dem Schiff: „Vor allem die Einarbeitung war eine wichtige Phase, um mich mit der Ausbildung vertraut zu machen. Ich durfte auch schon einige Aufgaben selbstständig übernehmen, zum Beispiel das Wahrschauen des Schleusenvorgangs. Außerdem habe ich komplett eigenständig den Schubverband zusammengestellt, den Schiffskörper entrostet und lackiert, das Schiff los- und festgemacht, aber auch die Drähte und Taue beim Be- und Entladen überwacht.“

Auch Adrian hat schon eigene Aufgaben übertragen bekommen. So durfte er etwa den Schubverband passgenau in eine Schleuse manövrieren – eine ziemlich knifflige Angelegenheit, wie er erklärt: „Da kommt es echt auf jeden Zentimeter an. Wenn das Schiff nicht rechtzeitig vor der Schleusenwand zum Stehen kommt, wird es problematisch. Im Allgemeinen habe ich überhaupt nicht das Gefühl wie ein Azubi behandelt zu werden, im Gegenteil: Ich bekomme genau dieselben Aufgaben zugeteilt wie meine Kollegen und die muss ich dann natürlich auch ordentlich erledigen. Wenn ich irgendwelche Fragen habe, kann ich mich jederzeit an die Schiffsbesatzung wenden. Das ist super!“

Das Leben auf dem Binnenschiff

Nicht nur während der Arbeit, sondern auch nach Feierabend verbringen die Azubis oft Zeit mit ihren Kollegen – immerhin teilen sie sich die eigenen vier Wände miteinander! Sei es bei einer Tasse Tee in der Gemeinschaftsküche, um die Aufgaben für den kommenden Tag zu planen oder einfach um gemeinsam vor dem Fernseher zu sitzen. „Wenn sich die Gelegenheit bietet und das Wetter mitspielt, dann verlasse ich aber auch mal das Schiff und unternehme etwas an Land. Und wenn ich nur kurz was einkaufe oder in die Stadt laufe“, berichtet Adrian.

Insgesamt gestaltet sich der Alltag auf dem Binnenschiff deutlich abwechslungsreicher als man vielleicht annehmen möchte. Neben ihren praktischen Tätigkeiten erlernen die angehenden Binnenschifffahrtskapitäne während ihrer Ausbildung auch theoretische Inhalte wie etwa die Bedeutung von Wasserverkehrsschildern, das Wasserstraßennetz und Gefahrzonen einzelner Flüsse, die Verkehrsführung auf dem Wasser, gesetzliche Hintergründe sowie die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung. Dieses Wissen ist elementar für den erfolgreichen Verlauf der Ausbildung und für das spätere Berufsleben, damit die Besatzungsmitglieder eines Schiffs sicher an ihr Ziel gelangen.

Unterwegs bei Wind und Wetter

Die Ausbildung zum Binnenschifffahrtskapitän ist vor allem für Personen geeignet, die gerne körperlich arbeiten und draußen unterwegs sind – egal bei welchem Wetter. Genau diese Mischung macht für Oleh aber den besonderen Reiz aus: „Das Leben auf dem Schiff ist ziemlich abwechslungsreich. Wir lernen nicht nur verschiedene Orte kennen, sondern haben gleichzeitig auch die Möglichkeit die Schönheit der Natur zu genießen. Aber wir müssen auch mit den Herausforderungen des Wetters umgehen können, da braucht man schon eine gewisse Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.“ Bei strömendem Regen oder sengender Mittagshitze werden die Arbeiten an Deck aber auch oft verschoben auf einen Zeitpunkt, wenn das Wetter besser passt.

Binnenschiffer-Romantik

Natürlich hat die Arbeit auf dem Schiff auch Vorteile. Im Gegensatz zum Leben in der Stadt nimmt man seine Umgebung und die Natur vom Fluss aus viel intensiver wahr. „Einer der schönsten Momente meiner Ausbildung war bisher, als wir aus dem Ruhrgebiet in Richtung Antwerpen und Rotterdam gefahren sind und ich Robben auf einer Sandbank liegen gesehen habe. Das war schon ziemlich überwältigend“, schwärmt Adrian.

Die typische Binnenschiffer-Romantik kann die Besatzung oft während des Dienstbeginns in den frühen Morgenstunden erleben, wenn die Sonne über dem Horizont aufgeht und die ersten Sonnenstrahlen des Tages die Nase kitzeln, während das Schiff ruhig und gleichmäßig über das Wasser gleitet. Ein Luxus, den es wohl nicht in vielen Jobs gibt.

„Die Schifffahrt ist wie Autotuning“

„Manchmal stehen wir auch an der Schleuse, gucken uns die anderen Schiffe an und schauen, ob die auch so gut gepflegt sind wie unser Schiff. Wenn man so will, dann ist Schifffahrt eigentlich so ein bisschen wie Autotuning – nur, dass es keiner zugeben will“ erzählt Adrian lachend. Man merkt deutlich, dass ihm die Ausbildung Spaß macht und er gerne auf dem Schiff arbeitet. „Die Ausbildung zum Binnenschifffahrtskapitän ist bisher die beste Entscheidung für mein berufliches Leben. Ich freue mich wie ein kleines Kind, am Mittwoch endlich wieder aufs Schiff zu kommen!“

Was macht eigentlich ein Binnenschifffahrtskapitän?

Zu den Aufgaben der Binnenschifffahrtskapitäne gehören das Steuern und Navigieren von Schiffen auf den Binnengewässern sowie die Pflege des Schiffs und der Maschinen an Bord. Damit stellen sie sicher, dass das Schiff und seine Ausrüstung jederzeit einsatzbereit sind. Zudem überwachen die Kapitäne das Be- und Entladen der Schiffe und sind auch für die Personal- und Streckenplanung verantwortlich.

In den kommenden Wochen wird der Blog die Azubis auch weiterhin auf ihrer Reise begleiten und regelmäßig über Updates und Meilensteine aus der Ausbildung berichten.

Sind Sie auch an einer Ausbildung als Binnenschifffahrtskapitän (m/w/d) interessiert? Hier geht es zur Stellenausschreibung.