Nachhaltige Schifffahrt: Innovative Antriebe und Zukunftsstrategien für die maritime Industrie

Die maritime Industrie steht vor großen Veränderungen. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden globalen Klimakrise wird der Bedarf an umweltschonenden Transportmethoden immer dringender. Innovative Antriebslösungen haben das Potenzial, die maritime Industrie grundlegend zu verändern. Wir zeigen nicht nur, wie nachhaltige Schifffahrt in der Theorie funktioniert, sondern auch, wie sie bereits erfolgreich in die Praxis umgesetzt wird.

Ansicht auf ein Schiff, das am Terminal mit bunten Containern beladen wird
Ansicht auf ein Schiff, das am Terminal mit bunten Containern beladen wird

Die Schifffahrt gilt seit Jahrhunderten als einer der wichtigsten Transportwege für den globalen Handel. Über 90 Prozent des internationalen Warenverkehrs werden per Schiff transportiert, was diesen Verkehrsträger zu einem unverzichtbaren Bestandteil der modernen Wirtschaft macht. Von riesigen Containerschiffen, die elektronische Güter aus Asien befördern, bis hin zu Binnenschiffen, die landwirtschaftliche Produkte innerhalb Europas transportieren, spielen maritime Verkehre eine zentrale Rolle in der Logistikkette. 

Trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung war die Schifffahrt historisch gesehen jedoch nicht gerade ein Vorreiter in Sachen Umweltschutz. Der hohe Verbrauch fossiler Brennstoffe, Emissionen von Treibhausgasen oder Ölverschmutzungen sind nur einige der Umweltprobleme, die sie mit sich bringt. Doch das Blatt wendet sich: In den vergangenen Jahren hat das wachsende Umweltbewusstsein und der Druck der Öffentlichkeit dazu geführt, dass umweltverträgliche Lösungen in den Vordergrund rücken. Heute steht die Branche an einem Wendepunkt, an dem innovative Technologien und fortschrittliche Antriebslösungen das Potenzial haben, sie grundlegend zu verändern und wesentlich nachhaltiger zu gestalten. Es gibt vielversprechende Entwicklungen und Konzepte im Bereich der nachhaltigen Schifffahrt. 

Binnenschifffahrt entwickelt Lösungen für Niedrigwasser & Co.

Nirgends ist der Klimawandel so stark zu spüren wie auf den Binnenwasserstraßen. Seit einigen Jahren werden die Transportunternehmen, die auf Flüssen wie Rhein, Donau und Elbe unterwegs sind, immer wieder mit sehr starkem Niedrigwasser konfrontiert. Das bedeutet, dass die Binnenschiffe gemäß des Pegelstandes abladen müssen, um ihr Ziel zu erreichen. Eine weitere Herausforderung: Während alle Verkehrsträger im Wettrennen um die innovativste Idee für alternative Antriebe ringen, sind die Laufzeiten eines Binnenschiffes durchaus etwas länger: So fährt ein Schiff nicht etwa fünf bis zehn Jahre, sondern ein halbes oder gar ganzes Jahrhundert. Gleichzeitig fordern Kunden Energieeffizienz, etwa durch das Einsparen von Kraftstoff, und die Reduzierung von Emissionen. Die Branche arbeitet an neuen Konzepten, allerdings dauert es eine Weile, bis Flotten von europaweit mehreren Tausend Schiffen mit alternativen Technologien umgerüstet sind.

Eine wichtige Komponente ist etwa der eingesetzte Binnenschiffsmotor. Hier hat sich seit der ersten Ausrüstung eines Binnenschiffs mit einem Dieselmotor im Jahr 1937 einiges getan. Aktuell gilt die 2020 in Kraft getretene Stufe V-Gesetzgebung. Diese verschärft die Beschränkungen für Non-Road-Motoren (NRMM: non-road mobile machinery) und setzt strengere Grenzwerte für Emissionen, insbesondere für Partikel und Stickoxide (NOx). Die Zertifizierung nach Stufe V ist für alle Motoren erforderlich, die in der europäischen Binnenschifffahrt in Form von Schiffsneubauten zum Einsatz kommen, Altbestände sind hiervon noch ausgenommen. 

Angesichts der langen Laufzeit von Binnenschiffen ist es zudem sinnvoll, in bestehenden Schiffsraum neue Maschinen einzusetzen. Beim Großteil aller europäischen Binnenschiffe ist der klassische Verbrennungsmotor immer noch direkt an die Propellerwelle als Antrieb angeschlossen. Die Betreiber gehen aber vermehrt dazu über, den Verbrennungsmotor durch einen E-Motor zu ersetzen. Damit werden sie künftig unabhängig davon, welcher Antriebsstoff die Energie für diesen Motor liefert: Das können ein effizienter Dieselmotor oder ein Verbrennungsmotor, der mit Wasserstoff, mit Methanol oder mit Ammoniak betrieben wird, sein. Der Vorteil: Hierbei ist lediglich der Austausch des Motors notwendig, nicht des Antriebs. Das spart erhebliche Kosten für Entwicklung und Umrüstung. 

Auch Rhenus modernisiert ihre Binnenschiffsflotte aktuell. Dabei werden Schiffe, die umgerüstet bzw. renoviert werden, mit marinisierten Lkw-Motoren Stufe V ausgerüstet, die aktuellen Neubauten werden künftig durch eine Kombination aus Wasserstoff-Brennstoffzelle, modernsten Stage-VI-Motoren und Elektrobatterien angetrieben. 

Neue Schiffstypen sparen Kraftstoff ein

Eine weitere Innovation auf den Binnenwasserstraßen ist ein neues Schiffdesign. Rhenus baut für den Projektpartner Contargo aktuell neue Schiffe für den Einsatz auf dem Rhein, welche auch bei äußerst niedrigen Pegelständen betrieben werden können. Das Schiffsdesign ist in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg und der Schiffbau-Versuchsanstalt (DST) entstanden und entspricht dem modernsten Stand der Wissenschaft.  

Bei konventionellem Schiffsraum werden auf der Strecke zwischen Rotterdam und Mannheim ungefähr 16.000 Liter Diesel für einen Umlauf benötigt. Durch die Ausstattung des einen Schiffes mit Diesel-elektrischem Antrieb können etwa 5.000 Liter in einem Umlauf gespart werden – das sind rund 30 Prozent weniger Kraftstoff. Der Diesel-Elektro-Antrieb in Kombination mit Batterie und Brennstoffzelle benötigt sogar 80 Prozent weniger, also etwa 3.000 Liter Diesel. Das resultiert wiederum in 80 Prozent CO2-Einsparung pro Umlauf im Vergleich zum konventionellen Antrieb. Ausführliche Informationen zum Bau der neuen, alternativ angetriebenen Schiffe gibt es im Podcast Logistics People Talk zum Thema „Binnenschifffahrt der Zukunft“.

Küstenschifffahrt rüstet sich für die Zukunft

Nicht nur auf dem Fluss, auch an der Küste suchen Logistikdienstleister nach Möglichkeiten für eine umweltverträgliche Seeverkehre: Die Notwendigkeit für umweltschonende Prozesse hat die Entwicklung alternativer Antriebsarten beschleunigt, welche die traditionelle Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren sollen.

Alternative Antriebe für nachhaltige Schifffahrt

Methanol, einst ein Nebenprodukt der Kohle- und Gasindustrie, wird zunehmend als potenzieller umweltfreundlicher Treibstoff angesehen – solange er grün produziert wird: Die Möglichkeit, Methanol aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft zu synthetisieren, bietet eine zukunftsfähige Alternative zum herkömmlichen Diesel. Obwohl Methanol eine geringere Energiedichte als Diesel aufweist, sind die Vorteile in Bezug auf die Emissionsreduktion signifikant. Die Herausforderung besteht jedoch in den höheren Herstellungskosten und der Notwendigkeit, eine passende Infrastruktur für seine Verbreitung zu entwickeln. LNG, sprich Flüssigerdgas, ist besonders geeignet für Schiffe, die feste Routen befahren. Hier rechnen sich die Investitionen in spezielle Tank- und Bunkeranlagen aufgrund der kurzen und regelmäßigen Routen. Ein LNG-Antrieb emittiert im Vergleich zu einem Dieselantrieb nahezu 100 Prozent weniger Schwefeloxid und Feinstaub, 15 bis 20 Prozent weniger CO2, 70 Prozent weniger Stickoxide und bis zu 50 Prozent weniger Lärm. Für festgelegte Routen mit verfügbaren Ladeinfrastrukturen sind auch Batterieantriebe eine zunehmend attraktive Option. Sie bieten eine emissionsfreie Alternative, besonders für kürzere Strecken und in Regionen mit guter Ladeinfrastruktur. 

Best Practice: Methanol-ready Küstenmotorschiff

Ein Beispiel für die Implementierung alternativer Antriebe in der Praxis ist der Umbaueines Küstenmotorschiffes mit einer Tragfähigkeit von über 2.000 Tonnen auf einen Methanol-ready- Antrieb, wie ihn Rhenus gerade vorantreibt. Dieser Ansatz ermöglicht es dem Schiff, bei Verfügbarkeit der notwendigen Infrastruktur, vollständig auf Methanol umzusteigen. Derzeitige Einschränkungen wie die fehlende Tankinfrastruktur begrenzen zwar noch die sofortige Umsetzung, aber das Schiff ist bereits mit den notwendigen Anpassungen versehen, wie z.B. speziellen Einspritzdüsen und Edelstahlleitungen, die relativ geringfügig sind im Vergleich zum gesamten Umbauaufwand. Damit ist das Küstenmotorschiff schon jetzt nach den neuesten technischen Standards ausgerüstet, um so den aktuellen und künftigen CO2-Normen zu entsprechen. Mehr Informationen zu dem Projekt gibt es in der Logistics People Talk-Episode „Nachhaltige Schifffahrt“.

Umwelteffizient unterwegs auf hoher See

Alternative Antriebe eignen sich vor allem für Schiffe, die relativ kurze Strecken entlang der Küsten zurücklegen. Ein Großteil des Welthandels wird jedoch über weite Strecken auf hoher See von Kontinent zu Kontinent abgewickelt. Hier gibt es noch Nachholbedarf: Zwar eignet sich zum Beispiel LNG für Schiffe mit hohem Energiebedarf auf langen Strecken, aber aufgrund der derzeit noch lückenhaften Infrastruktur ist eine kontinuierliche Versorgung - vor allem bei ständig wechselnden Routen - nicht gewährleistet. Wie es anders geht, zeigt die Passagierschifffahrt. So gibt es Kreuzfahrtschiffe, die mit Batterie-Hybrid-Antrieben1 und LNG2 betrieben werden. Aber auch hier fahren die Schiffe auf festen, planbaren Routen - zum Beispiel entlang der norwegischen Küste oder im Mittelmeer.

Fazit

Der Übergang zu nachhaltigeren Praktiken in der Schifffahrt ist eine komplexe Herausforderung, aber die Fortschritte bei alternativen Antriebstechnologien zeigen, dass ein Wandel möglich ist. Mit der richtigen regulatorischen Unterstützung und kontinuierlicher technologischer Innovation kann die maritime Industrie eine führende Rolle bei der Reduzierung von Emissionen und der Minimierung von Umweltbelastungen spielen. Sie steht vor der Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und zukunftsweisende Praktiken einzuführen, um langfristige ökologische und ökonomische Vorteile zu sichern.

Hafen mit Containern aus Vogelperspektive

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