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Interview Uwe Karrenberg: „Bei der Digitalisierung stehen der Mensch und der Prozess im Fokus.“

Uwe Karrenberg, Geschäftsführer der LOXX Lagerlogistik in Gelsenkirchen, die seit 2020 zur Rhenus Gruppe gehört, kennt sich aus mit der Digitalisierung von logistischen Prozessen. Einige Jahre hat er das Team Prozesse und Entwicklung innerhalb von Rhenus geleitet und das Digitalisierungspotenzial von Standorten analysiert. Im Interview berichtet er, welches Potenzial er in der Logistik noch sieht.

[Translate to Deutsch:] Uwe Karrenberg

Redaktion: Welche Chancen bietet die Digitalisierung der logistischen Prozesse?

Uwe Karrenberg: Die Digitalisierung bietet die Chance, Prozesse effizienter und effektiver zu gestalten. In der Spedition ist die optimale Auslastung der Lkw eine große Herausforderung, denn Leerfahrten sind weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Eine digitale Lösung dafür sind Online-Frachtenbörsen. Dort können die Frachtführer selbst nach passenden Ladungen suchen, denn die Unternehmen stellen ihre offenen Transporte direkt in das Portal ein. Dadurch werden für die Tourenplanung weniger Ressourcen der Mitarbeiter*innen benötigt, wodurch diese an anderen Stellen eingesetzt werden können, beispielsweise für eine umfangreichere Kundenbetreuung. Ein wichtiger Aspekt ist auch die zunehmende Transparenz von Prozessen beispielsweise durch Tools wie Track & Trace. Davon profitieren auch unsere Kund*innen.

Redaktion: Vor welchen digitalen Herausforderungen steht die Logistik aktuell mit Blick auf die Lagerhallen?

Uwe Karrenberg: Eine der größten Herausforderungen im Lager wird das ansteigende Transportvolumen sein, welches bereits prognostiziert ist. Da wir nicht kurzfristig neue Hallen bauen können, müssen wir also unsere bestehenden Ressourcen besser nutzen. Mit einer dynamischen Organisation in den Lagerhallen, wie wir sie vielfach in der Rhenus aufgebaut haben, können wir flexibel auf Volumenschwankungen reagieren. Ganz aktuell haben wir das Lager in Gelsenkirchen umgestellt und nutzen dafür das bereits vorhandene Transportmanagementsystem. Die digitalisierten Prozesse unterstützen uns bei der Vorausplanung und liefern uns nun umfangreiche Daten. Mit einer intelligenten Auswertung können wir beispielsweise das Transportvolumen deutlich besser vorhersagen.

Die Digitalisierung wird uns auch in den kommenden Jahren dabei helfen, unser Geschäft weiter zu optimieren und auch die Lagerkapazitäten viel besser auszulasten. Bei LOXX haben wir beispielsweise in diesem Jahr durch die Umstellung auf digitalisierte Lagerprozesse eine Optimierung von 30 Prozent erschaffen, können 30 bis 50 Prozent mehr Volumen aufnehmen und haben dadurch mehr Kapazität für weitere Sendungen. .

Redaktion: Sie waren bisher in der Rhenus Road Freight Leiter des Teams Prozesse und Entwicklung. Welche Projekte zum Thema Digitalisierung konnten Sie bereits realisieren?

Uwe Karrenberg: Mein damaliges Team und ich haben das Digitalisierungspotenzial von Prozessen analysiert. Am Standort in Dietzenbach sollten wir beispielsweise herausfinden, ob die Kapazitäten für einen Beitritt in ein neues nationales Stückgutnetzwerk ausreichen. Dafür haben wir das Nahverkehrsgebiet analysiert: von den Routen der Lkw bis hin zur Organisation der Abläufe im Lager. Man muss bei so einer Analyse immer den gesamten Prozess im Blick haben: Was geht in den Prozess rein, was wird innerhalb des Prozesses gemacht und welches Produkt geht aus dem Prozess wieder raus? Mit den Ergebnissen der Analyse konnten wir ein dynamisches Stellplatzkonzept entwickeln und umsetzen, um ausreichend Kapazitäten für einen erfolgreichen Beitritt zum Stückgutnetzwerk zu schaffen.

Redaktion: Wagen Sie einen kleinen Ausblick: Wie sehen in zehn Jahren die Lager innerhalb der Rhenus Gruppe aus? Werden dann nur noch autonom fahrende Flurförderzeuge unterwegs sein?

Uwe Karrenberg: Bei uns im Stückgutgeschäft sehe ich das nicht. Wir werden uns auch weiter auf unser Kerngeschäft konzentrieren, das Be- und Entladen der Fahrzeuge. Die Lkw werden aufgrund der heterogenen Güterstruktur weiterhin manuell beladen werden müssen. Es gibt zwar automatisierte Systeme, die standardisierte Sendungen verarbeiten können, aber die meisten Systeme arbeiten aktuell nicht effizient und sind zusätzlich noch sehr teuer. Zudem wollen wir unseren Kund*innen ja auch weiterhin flexible und individuelle Lösungen anbieten. Im Bereich der Kontraktlogistik, also bei der transportnahen Lagerung an unseren Umschlaglägern, kann ich mir das wiederum vorstellen. In der Rhenus Road Deutschland werden wir voraussichtlich im kommenden Jahr in der Intralogistik autonomes Fahren mit einem Hochregalstapler testen. Dabei sind natürlich viele Regularien zur Sicherheit zu beachten. Daher tasten wir uns vorsichtig heran und arbeiten dann zunächst mit Übergabezonen, damit möglichst wenig Kontakt zwischen Mensch und Maschine besteht. Im nächsten Schritt könnten die Verbringer-Flurförderzeuge, welche Ware von einer Halle in die nächste zur Verladung transportieren, in Teilen durch autonome Flurförderzeuge ersetzt werden.

Redaktion: Welche Rolle spielen die Mitarbeiter*innen bei der Digitalisierung?

Uwe Karrenberg: Bei der Digitalisierung stehen der Mensch und der Prozess im Fokus, denn der Mensch definiert den Prozess, nicht die Maschine. Und um Prozesse zu optimieren, benötigen wir auch das Vertrauen und die Kreativität unserer Mitarbeiter*innen, sonst könnten wir Prozesse gar nicht umstellen. Daher ist mir das Thema Changemanagement sehr wichtig. Aus meiner Sicht ist ein starkes Team, mit den vielfältigen individuellen Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder, der Schlüssel zum Erfolg in der notwendigen Digitalisierung. Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren ist letztendlich Fortbildung. Die Fortbildung der Mitarbeiter*innen, speziell im Bereich Digitalisierung und der modernen Technologien, ist ein Schlüssel für die Zukunft. Hierdurch werden wir die zunehmend komplexer werdenden Herausforderungen auch weiter erfolgreich für unsere Kund*innen lösen.